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BGH, Beschl. v. 13.09.2023 – 4 StR 132/23: Zum Gefährdungs­vorsatz § 315d II, V StGB

Sachverhalt (Rn. 1–4)

Der Angeklagte befuhr, nachdem er auf einer Feier alkoholische Getränke konsumiert hatte, mit einem hochmotorisierten Pkw Mercedes AMG eine Landstraße. Um seinem Beifahrer das Leistungs­vermögen des Fahrzeugs zu demonstrieren, fuhr er mit weit überhöhter Geschwindigkeit. Bei Annäherung an eine Kurve bremste er kurz ab und gab dann aus „nicht näher aufklärbaren Gründen, am ehesten als Folge eines alkoholbedingten Verlustes seines Koordinations­vermögens“ bereits kurz vor Einfahrt in die Kurve erneut Vollgas. Dies hatte zur Folge, dass das Fahrzeug trotz seines sehr leistungs­starken Fahrwerks bei der Kurvendurchfahrt nicht mehr in der Fahrspur gehalten werden konnte. Es geriet in die Gegenspur, wo es mit zwei entgegenkommenden Fahrzeugen kollidierte. Während am ersten dieser Fahrzeuge nur Sachschaden entstand, wurden zwei der Insassen des zweiten getötet und die beiden anderen verletzt.

Das LG hat den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und mit fahrlässiger Körperverletzung sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt.

Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Nach­prüfung teilweise nicht stand. Während die Verurteilung wegen des tatmehrheitlich verwirklichten unerlaubten Entfernens vom Unfallort nicht zu beanstanden ist, kann der Schuldspruch wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge nicht bestehen bleiben. Zwar hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass der Angeklagte den Grundtatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB sowie in objektiver Hinsicht auch die Qualifikations­tatbestände des § 315d Abs. 2 und 5 StGB verwirklicht hat. Jedoch ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, dass er auch mit dem nach § 315d Abs. 2 StGB erforderlichen (bedingten) Gefährdungs­vorsatz handelte.

Aus den Gründen (Rn. 5–6)

Zur inneren Tatseite des § 315d Abs. 2 StGB hat das LG ausgeführt, dass die konkrete Gefährdung von Leib oder Leben anderer Menschen, nämlich der bei der Kurvendurchfahrt im Gegenverkehr befindlichen Personen, vom Vorsatz des Angeklagten umfasst gewesen sei. Dieser habe gewusst, „dass seine für die Kurvendurchfahrt gewählte Geschwindigkeit so nah an der Grenze des mit dem Mercedes Möglichen lag, dass sonst nichts mehr ‚dazwischenkommen‘ durfte, wenn es nicht zum Unfall kommen sollte“, wenn er auch „darauf vertraute, dass die Gefährdung sich nicht realisieren würde“. Ein vorsätzliches Tötungs­delikt hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht und zur Begründung ausgeführt, dass die „festgestellte Überzeugung des Angeklagten, dass er mit dem Mercedes in der Lage sein würde, die Kurve auch mit der angestrebten überhöhten Geschwindigkeit zu durchfahren“, die Annahme ausschließe, „er habe sich mit der konkreten Möglichkeit eines Unfalls und der davon für andere Verkehrs­teilnehmer ausgehenden Todesgefahr abgefunden und sie in Kauf genommen oder gar derlei beabsichtigt“.

Damit hat das Landgericht die Voraussetzungen des § 315d Abs. 2 StGB in subjektiver Hinsicht nicht festgestellt. Der insoweit erforderliche (mindestens) bedingte Gefährdungs­vorsatz ist gegeben, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet. Das hiernach erforderliche voluntative Vorsatzelement, nämlich das Erfordernis, dass sich der Täter mit dem Eintritt der konkreten Gefährdung abgefunden haben muss, hat das Landgericht indes gerade verneint, indem es festgestellt hat, dass der Angeklagte überzeugt gewesen sei, zur Kurvendurchfahrt in der Lage zu sein, und darauf vertraut habe, dass die Gefährdung etwa entgegenkommender Verkehrs­teilnehmer sich nicht realisieren werde. Damit fehlt es zugleich am Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der auch insoweit an § 315d Abs. 2 StGB anknüpfenden und nur im Übrigen § 18 StGB unterfallenden Erfolgs­qualifikation des § 315d Abs. 5 StGB.

Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, zum objektiven Tatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 a) StGB gegebenenfalls den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Alkoholisierung und dem Gefährdungs­erfolg, d.h. dem Unfall, sicher festzustellen und zu belegen. Die bisherige Feststellung, wonach der Angeklagte den Fahrfehler einer erneuten Beschleunigung noch vor dem Kurveneingang „am ehesten“ infolge seiner Alkoholisierung beging, genügt hierfür nicht. Zudem wird zu erwägen sein, ob der Angeklagte gegebenenfalls auch den Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 2 d) StGB verwirklicht hat, was nach den Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in Betracht kommt.

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