Sachverhalt (Rz 3–5)
Nach den Feststellungen entwendete der Angeklagte aus einem unversperrten Schuppen ein E-Bike, um es für sich zu behalten. Dabei wurde er von dem Geschädigten beobachtet, der daraufhin mit seinem Pkw die Verfolgung des mit dem Fahrrad davon fahrenden Angeklagten aufnahm. Nach kurzer Zeit verlor der Geschädigte ihn aus den Augen. Unterdessen war der Nebenkläger, der Sohn des Geschädigten, über den Diebstahl informiert worden. Auch er nahm sofort in Begleitung von zwei Freunden mit einem Pkw „die Verfolgung des Angeklagten auf“. Etwa zehn Minuten nachdem sie losgefahren waren und ca. 1,4 Kilometer vom Tatort des Diebstahls entfernt, kam ihnen der Angeklagte auf einer einspurigen Straße in seinem Pkw entgegen. Beide Fahrzeuge hielten an; der Nebenkläger stieg aus, um den Angeklagten zu fragen, ob er vielleicht einen Fahrraddieb gesehen habe. Zunächst hegte der Nebenkläger gegenüber dem Angeklagten noch keinen Verdacht, bis er das gestohlene E-Bike im Inneren des Fahrzeugs des Angeklagten auf den umgeklappten Rücksitzen liegen sah. Er öffnete die linke hintere Tür des Wagens, um das Fahrrad zurückzuerlangen. Als der Angeklagte dies erkannte, fuhr er zügig mit einer Geschwindigkeit von ca. 25 km/
Der Angeklagte setzte zunächst weiter zurück, bis ihm einer der Freunde des Nebenklägers mit seinem Fahrzeug den Weg abschnitt. Daraufhin fuhr der Angeklagte nunmehr vorwärts mit einer Geschwindigkeit von zunächst 50 bis 80 km/
Der Angeklagte handelte während des gesamten Geschehens in der Absicht, sich im Besitz des E-Bikes zu halten und den begangenen Diebstahl zu verdecken. Dabei nahm er billigend in Kauf, dass sich der Nebenkläger durch das Mitziehen mit dem Fahrzeug und das frontale Zufahren auf ihn erhebliche, auch potentiell lebensgefährliche Verletzungen zuziehen würde.
Aus den Gründen (Rz. 6–8)
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und wegen Diebstahls in sechs Fällen verurteilt.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls nach § 252 i.V.m. §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB hat keinen Bestand.
Das Tatbestandsmerkmal „auf frischer Tat betroffen“ im Sinne dieser Vorschrift ist erfüllt, wenn der Dieb noch in unmittelbarer Nähe zum Tatort und alsbald nach der Tatausführung wahrgenommen wird, also im Moment der Wahrnehmung noch ein enger, sowohl örtlicher als auch zeitlicher Zusammenhang mit der Vortat besteht. Ist dies der Fall und wendet der Täter in der Folge eines der in § 252 StGB genannten Nötigungsmittel in Besitzerhaltungsabsicht an, kommt es für die Tatbestandsverwirklichung im Übrigen nicht mehr darauf an, dass sich das Nötigungsmittel gegen eine Person richtet, die ihn auf frischer Tat betroffen hat. Vielmehr genügt es, dass die Nötigungshandlung eine Folge des Betroffenseins ist und zu diesem in einem Bezug steht. Ein derartiger Bezug ist auch dann noch gegeben, wenn das Nötigungsmittel im Rahmen der sogenannten Nacheile angewendet wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der Täter in unmittelbarem Anschluss an das Betreffen auf frischer Tat verfolgt wird und diese Verfolgung bis zu dem Einsatz des Nötigungsmittels ohne Zäsur fortgesetzt wird. Ist dies der Fall, kommt es auf einen engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zwischen Vortat und dem Einsatz des Nötigungsmittels nicht mehr an.
Zwar ist der Angeklagte von dem Vater des Nebenklägers bei der Begehung des Diebstahls und damit auf frischer Tat betroffen worden. Die Feststellungen ergeben aber nicht, dass die spätere Anwendung von Gewalt gegen den Nebenkläger in dem erforderlichen Bezug zu diesem Betroffensein auf frischer Tat stand. Der Geschädigte, der den Angeklagten auf frischer Tat betroffen hatte, musste dessen Verfolgung aufgeben. Im Zeitpunkt der Gewaltanwendung lag keine zäsurlose Verfolgung mehr vor. Denn der Nebenkläger und seine Freunde haben, nachdem sie Kenntnis vom Diebstahl erlangt hatten, eine eigene, neue Suche nach dem Angeklagten begonnen; dabei hatten sie keine Vorstellung von dessen Person. Ihr Zusammentreffen mit ihm und die Erkenntnis von seiner Täterschaft beruhten nicht auf Wahrnehmungen, die „auf frischer Tat“ gemacht wurden, sondern waren eher dem Zufall geschuldet.