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BGH, Beschl. v. 17.10.2023 – 6 StR 220/23: Zum schweren Bandendiebstahl

Leitsatz

Allein aus einem „geplanten, berufsmäßigen Vorgehen“ und einer fast immer gleich gewählten Art der Tatbegehung unbekannt gebliebener weiterer Personen kann eine Banden­mitgliedschaft nicht begründet werden. Zur Über­zeugung des Tatrichters muss eine Bandenabrede festgestellt und ausgeschlossen werden, dass sich der Angeklagte mit einzelnen Beteiligten nur zu einer Tat verbunden hat und in der Folgezeit (aufgrund eines neuen Entschlusses) mit anderen Personen (oder aber allein) weitere Taten begangen hat (vgl. BGHBeckRS 2022, 34829). (Rn. 4)

Sachverhalt (Rn. 2)

Der Angeklagte hatte sich mit den gesondert verfolgten L. , La. und B. zusammengeschlossen, um ihrem gemeinsamen Tatplan entsprechend in Deutschland fortgesetzt arbeits­teilig hochwertige Werkzeuge aus Kleintrans­portern von Handwerksfirmen zu entwenden und in Polen gewinnbringend zu veräußern; dadurch wollten sie sich eine dauerhafte Einnahmequelle verschaffen. Zu diesem Zweck fuhr der Angeklagte jeweils mit mindestens zwei weiteren Banden­mitgliedern in regelmäßigen Abständen mit einem Pkw von Polen nach Deutschland, wo sie geeignete Fahrzeuge auskundschaft­eten. Nachts begaben sie sich zu dem jeweiligen Firmengelände und verschafften sich Zutritt zum Fahrzeug, zumeist indem sie die Schiebetür aufbrachen oder ein Fenster einschlugen. Dann entwendeten sie das darin befindliche Werkzeug, in einigen Fällen zudem das Fahrzeug selbst.

Aus den Gründen (Rn. 3–6)

Der Schuldspruch wegen schweren Bandendiebstahls sowie wegen versuchten schweren Bandendiebstahls hält rechtlicher Über­prüfung nicht stand.

Das Landgericht hat sich zwar in allen Fällen rechts­fehlerfrei von der Täterschaft des Angeklagten und gewerbsmäßigem Handeln im Sinne des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB überzeugt. Die Annahme des Landgerichts, dass es sich jeweils um Bandentaten handelte, entbehrt jedoch einer trag­fähigen Beweiswürdigung. Der Generalbundes­anwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Beweiserwägungen zur Beteiligung der namentlich genannten La. und B. an der Bande lassen die Urteilsgründe in Gänze vermissen. Der gesondert Verfolgte L. soll im zeitlichen Zusammenhang mit den Taten Nr. 9 bis 11 mit dem Angeklagten zwei Telefonate geführt haben, in denen der Angeklagte seine Schwierigkeiten schilderte, den anderen mit seinem Fahrzeug folgen zu können. Nach den Ausführungen der Strafkammer sei die Stimme des Angeklagten erkennbar. Angaben dazu, aufgrund welcher Er­kenntnisse der Gesprächs­partner der gesondert Verfolgte L. war, fehlen dagegen. (…)

Die Bandenabrede kann zwar auch aus dem konkret feststellbaren, wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden. Für eine Bandenabrede sprechen indiziell die Anzahl der Täter, die Vielzahl der verübten Taten, ein beträchtlicher Tatzeitraum oder dass ein Mittäter gewerbsmäßig gehandelt hat (…). Die von der Strafkammer aufgezeigten Indizien können aber das Bestehen einer Bande aus dem Angeklagten und (zumindest) zwei weiteren Personen nicht trag­fähig belegen.

Im Einzelnen: (…) Das Landgericht ging nach den Feststellungen zwar davon aus, dass der Angeklagte jeweils mit zwei weiteren Personen (Banden­mitgliedern) vor Ort war. Das Landgericht führte folgende Umstände an: Bei den Taten Nr. 9 bis 11 der Urteilsgründe spricht der Inhalt der abgehörten Telefonate für ein arbeits­teiliges Vorgehen und dafür, dass zumindest drei Täter an den Taten beteiligt waren, da der Angeklagte mehrere Personen anspricht. Bei der Tat Nr. 12 der Urteilsgründe weisen die Telefonate des Angeklagten auf ein geplantes, berufsmäßiges Vorgehen hin. Der Angeklagte spricht von ‚wir‘ und gibt an, ‚nicht allein‘ zu sein. Auch das Telefonat vor der Tat Nr. 13, in welchem der gesondert Verfolgte B. – nach Auffassung der Strafkammer ein offensichtlich ehemaliger Mittäter des Angeklagten – angab, in einer anderen ‚Firma‘ zu sein, spricht für bandenmäßige Strukturen, die als ‚Firma‘ bezeichnet werden. Hintergründe zum gesondert Verfolgten B. teilt das Urteil allerdings nicht mit, so dass schon die Auslegung und Einordnung des Gesprächs durch die Strafkammer nicht überprüfbar ist. (…)

Nach den mitgeteilten Beweisanzeichen bleibt ferner offen, ob es sich bei den weiteren Personen (neben dem Angeklagten) immer um dieselben Personen, also eine Täter­gruppe handelt. Allein mit einem ‚geplanten, berufsmäßigen Vorgehen‘ und einer mit wenigen Ausnahmen immer gleich gewählten Art der Tatbegehung unbekannt gebliebener Personen kann eine Banden­mitgliedschaft nicht begründet werden. Auf diese vorgenannten Umstände allein kann die Verurteilung wegen Bandendiebstahls auch deshalb nicht gestützt werden, da zur Über­zeugung des Tatgerichts ausgeschlossen werden muss, dass sich der Angeklagte mit einzelnen Beteiligten nur zu einer Tat verbunden hat und in der Folgezeit (aufgrund eines neuen Entschlusses) mit anderen Personen (oder aber allein) weitere Taten begangen hat.“

In den Fällen 10 und 15 der Urteilsgründe wird darüber hinaus die Annahme des Landgerichts, dass die Diebstähle durch Einbrechen in einen umschlossenen Raum (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB) begangen wurden, von den Feststellungen nicht getragen. Ihnen lässt sich lediglich entnehmen, dass der Angeklagte und seine Mittäter „sich“ in diesen Fällen „Zutritt“ zu dem betreffenden Fahrzeug „verschafften“, nicht jedoch, ob sie zu diesem Zweck – wie in anderen Fällen – die Seitentür aufbrachen, eine Scheibe einschlugen oder das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB in sonstiger Weise verwirklichten.

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