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BGH, Beschl. v. 28.03.2023 – 4 StR 61/23: Zum schweren Raub nach § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB

Sachverhalt (Rz. 3)

Der Angeklagte wollte der Geschädigten ihre Handtasche wegnehmen, um sich Wertgegenstände und Bargeld zu verschaffen. Ihre Tasche hatte die Geschädigte, neben sich auf einem Tisch abgestellt. Um an die Handtasche zu gelangen, fasste der Angeklagte den Entschluss, die Geschädigte zu bedrohen, indem er ihr eine Luftpumpe nach Art eines Gewehres (Langwaffe) vorhielt. Er wollte dadurch erreichen, dass sie in der Annahme, es handele sich um eine Schusswaffe, aus Angst um ihre Gesundheit keinen Widerstand leisten und seinen Forderungen nachkommen würde. In Umsetzung seines Tatplans hielt er die Luftpumpe mit ausgezogenem Kolben und mit auf Brusthöhe angehobenen Armen vor sich und trat so auf die Geschädigte zu. Er hielt ihr die Luftpumpe im Abstand von 20 bis 30 Zentimetern vor das Gesicht und forderte sie auf hineinzugehen. Wie vom Angeklagten beabsichtigt, erkannte sie die Luftpumpe nicht als eine solche. Vielmehr besorgte sie den Einsatz einer Schusswaffe und lief daher in das Lokal. Der Angeklagte nahm die zurückgelassene Handtasche an sich und verließ die Örtlichkeit. Bevor er sich der Tasche entledigte, entnahm er ihr das Portemonnaie der Geschädigten, um es nebst Inhalt wie u. a. Bargeld zu behalten.

Aus den Gründen (Rz. 5)

§ 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB erfasst grundsätzlich alle bewusst gebrauchsbereit mitgeführten Gegenstände, die als Mittel zur Überwindung des Widerstands des Tatopfers mittels Gewalt oder Drohung geeignet sind, also auch sogenannte Scheinwaffen, d. h. Gegenstände, die objektiv ungefährlich sind und deren Verletzungs­tauglichkeit nur vorgetäuscht wird.
Nach der Rechts­prechung des Bundes­gerichtshofs sind allerdings vom Anwendungs­bereich des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB aufgrund einer einschränkenden Auslegung solche Gegenstände auszunehmen, die für einen objektiven Beobachter schon nach ihrem äußeren Erscheinungs­bild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet sind, mit ihnen – etwa durch Schlagen, Stoßen, Stechen oder in ähnlicher Weise – auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken.

Subsumtion (Rz. 4, 6)

Ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die vom Angeklagten verwendete Luftpumpe war auch für einen objektiven Beobachter nicht offenkundig ungefährlich. Insbesondere durch ihren Einsatz als Schlagwerkzeug gegen empfindliche Körperstellen hätte mit ihr erheblich auf den Körper eines anderen eingewirkt werden. Der Gegenstand war „seiner Art nach“ dazu geeignet, von dem Opfer als Bedrohung wahrgenommen zu werden. Damit steht die vom Täter zugleich beabsichtigte Täuschung des Tatopfers hinsichtlich der von dem mitgeführten Gegenstand ausgehenden Droh­wirkung – hier: als vermeintliche Schusswaffe – nicht derart im Vordergrund, dass die Anwendung von § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB den (Wort-)Sinn des Gesetzes verfehlen würde. Denn eine Täuschung des Opfers wird bei dem Gebrauch jeder „Scheinwaffe“ im Hinblick auf deren objektive Ungefährlichkeit angestrebt.

Damit ist ein schwerer Raub festgestellt. Insbesondere begegnet die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den Qualifikations­tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB verwirklicht, keinen rechtlichen Bedenken

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