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BGH, Urt. v. 19.10.2023 – 3 StR 181/23: Zum Betrug/Computer­betrug im Rahmen des sog. Polizeitricks

Leitsätze

  1. Für die Qualifikation als Bande kommt es darauf an, ob die Banden­mitglieder voneinander wissen. Die Kenntnis der jeweiligen Identität ist unerheblich.
  2. Wer vom berechtigten Karteninhaber eine Bankkarte nebst zugehöriger Geheimzahl durch dessen täuschungs- und irrtumsbedingte Verfügung erhält und dabei in der Absicht handelt, unter Einsatz von Karte und PIN Abhebungen an Geldautomaten vorzunehmen, begeht mit Abhebung an einem Geldautomaten keine weitere Straftat des Computer­betrugs, sondern einen einzelnen Betrug, weil es an der „unbefugten“ Verwendung gem. § 263a Abs. 1 StGB fehlt.

Sachverhalt (Rn. 6–11)

Der Angeklagte S hatte im Internet mit dem Chatteilnehmer H Kontakt aufgenommen, der für eine nicht näher bestimmte Tätigkeit eine lukrative Zahlung in Aussicht stellte. Am Telefon erklärte H, die Arbeit bestehe darin, an einer jeweils mitzuteilenden Adresse ein Paket abzuholen, das unter anderem Bargeld enthalte. Davon dürfe der Angeklagte 1.000 € für sich entnehmen. Der Rest sei in die Türkei zu überweisen. Die Angeklagte W, die Lebens­gefährtin des Angeklagten S hörte das Telefonat mit. Der Angeklagte wollte auf diese Weise künftig einen Teil seines Lebens­unter­halts bestreiten. Deshalb brach er eine gemeinsam mit der Angeklagten W. angetretene Ausflugsfahrt ab, als H. ihm kurz darauf telefonisch die erste Adresse durchgab, an welcher unter Vorgabe des Namens „M“ ein Paket abzuholen sei. Vor Ort traf der Angeklagte auf die 74-jährige Geschädigte. Ihr war zuvor am Telefon von einem unbekannten männlichen Anrufer vorgespiegelt worden, die Sicherung vor Dieben erfordere es, ihre Wertgegenstände vorübergehend einem vermeintlichen Polizeibeamten namens M zu überlassen. Der Angeklagte telefonierte durchgehend mit H und das Tatopfer mit einer unbekannten Person, als er sich an der Haustür als „Herr M“ ausgab und  4.300 € sowie eine EC-Karte entgegennahm. Die Angeklagte W wartete derweil im Wagen. Im Anschluss wurde mit der erlangten EC-Karte, deren Pin S kannte, Geld an einem Bankautomaten abgehoben und der Betrag auf ein Konto eines Dritten mittels MoneyGram abzüglich der 1000 € überwiesen.

In den folgenden Wochen kam es zu vergleichbaren Taten; die von H angegebenen MoneyGram Zahlungs­empfänger wechselten ebenso wie die Zielkonten von Über­weisungen, wobei deren Inhaber jeweils türkische Namen trugen. Der Angeklagte kommunizierte mit H ausschließlich per Telefon und hatte zu anderen Hinterleuten oder den jeweiligen Über­weisungs- und Zahlungs­empfängern keinen Kontakt. 

Die Angeklagte W war an einzelnen Taten in der Weise beteiligt, dass sie S auf den Fahrten begleitete und in der Nähe der Tatorte im Wagen wartete. Auf der Begleitung der W war S nicht angewiesen. H und die Hintermänner wussten nichts von W.

Den Tatlohn verbrauchten die Angeklagten im gemeinsamen Haushalt, ohne dass dem eine Abrede zugrunde lag. Feststellungen dazu, dass sich auch die Angeklagte W eine dauerhafte Einnahmequelle verschaffen wollte, sind nicht getroffen worden.

Aus den Gründen

In rechtlicher Hinsicht hat das Landgericht die Abholung der Beute für den Angeklagten S jeweils als gewerbsmäßigen Betrug gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB gewürdigt, die erfolgreichen Bargeldabhebungen und Über­weisungen je als gewerbsmäßigen Computer­betrug nach § 263a Abs. 1 und 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB, im Fall ihres Scheiterns als Versuch eines solchen. Alle Fälle, in denen die Angeklagte W ihn begleitete, hat die Strafkammer für sie als psychische Beihilfe zur jeweiligen Haupttat gewertet. (Rn. 12)

Die Staats­anwaltschaft beanstandet unter anderem, dass keine Banden­mitgliedschaft oder die Beteiligung als Mitglied an einer kriminellen Vereinigung angenommen sowie nicht wegen Geldwäsche verurteilt wurde. (Rn. 15)

Zur Banden­qualifikation

Ein banden­qualifizierendes Dreipersonen­verhältnis hat nicht zwischen den beiden Angeklagten und H bestanden: „Hierfür müssten die beteiligten voneinander wissen; nur dann hat jeder den erforderlichen Willen, sich zur künftigen Begehung von Straftaten mit (mindestens) zwei anderen zu verbinden.“ H war jedoch die Mit­wirkung der W nicht bekannt. (Rn. 25)

H war jedoch die Einbindung der Über­weisungs­empfänger bekannt. Es ist nicht entscheidend, „dass der Angeklagte von H wie ein Außen­stehender behandelt wurde und subjektiv für ihn arbeitete, weshalb die Existenz weiterer Beteiligter für ihn bedeutungs­los war. Übt ein Täter dauerhaft und zuverlässig eine wesentliche Rolle bei konzertierten Betrugstaten aus, in die, wie ihm bekannt ist, wenigstens zwei weitere Personen fest eingebunden sind, die ihrerseits von ihm wissen, so schließt er sich vielmehr einer Bande an. Dass er die Identität der Komplizen nicht kennt, ist unerheblich.“ (Rn. 28)

Eine Einbindung der W in die Bande kommt dahingegen nicht in Betracht, da niemand außer S von ihrer Mit­wirkung wusste. (Rn. 47)

Eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 und 2 StGB scheidet mangels objektiver Voraussetzungen und Kenntnis des Angeklagten aus. (Rn. 29)

Zur Strafbarkeit wegen Geldwäsche

Eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn ein Angeklagter der Beteiligung an der Vortat schuldig ist. Wegen sogenannter Selbstgeldwäsche wird nur bestraft, wer den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechts­widrige Herkunft verschleiert (§ 261 Abs. 7 StGB). Das Verschleiern der Herkunft eines Gegenstands umfasst alle zielgerichteten, irreführenden Machenschaften mit dem Zweck, einem Tatobjekt den Anschein einer anderen (legalen) Herkunft zu verleihen oder zumindest seine wahre Herkunft zu verbergen. Ein solches Verhalten liegt fern, soweit ein Angeklagter Tatbeute an Mittäter verschiebt oder an Eingeweihte versetzt. So liegt es bei den Geldern, die auf H.s Geheiß in die Türkei oder auf Konten Dritter flossen. (Rn. 31)

Das Verbrauchen des Tatlohns für die Haushalts­führung könnte die Anforderungen des § 261 Abs. 7 StGB nach den bisher getroffenen Feststellungen erfüllen, ist aber nicht angeklagt. Gegenstand der Urteilsfindung ist gemäß § 264 Abs. 1 StPO nur der in der Anklage bezeichnete, einheitliche geschichtliche Vorgang. Er wird in der Regel durch Tatort, Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Täter­verhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung und durch das Tatopfer bestimmt. (Rn. 32)

Zur Mittäterschaft

Die Annahme einer mittäterschaft­lichen Begehungs­weise im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB entspricht für „Abholer“ bei Betrugstaten der vorliegenden Art der Regel, weil ihnen zumeist eine wesentliche Funktion bei der konzertierten Tatbegehung zukommt und von ihrer Mit­wirkung der Taterfolg maßgeblich abhängt. (Rn. 35)

Zur konkurrenzrechtlichen Würdigung

Wer vom berechtigten Karteninhaber eine Bankkarte nebst zugehöriger Geheimzahl durch dessen täuschungs- und irrtumsbedingte Verfügung erhält und dabei in der Absicht handelt, unter Einsatz von Karte und PIN Abhebungen an Geldautomaten vorzunehmen, sorgt bereits für einen Gefährdungs­schaden und begeht einen vollendeten Betrug. Die Geldabhebung verwirklicht nicht zwei Straftatbestände des Betruges und Computer­betruges; es liegt insgesamt ein Betrug vor. Der Einsatz von EC-Karte und Geheimzahl stellt dann keine „unbefugte“ Verwendung von Daten im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB dar, sondern eine abredewidrige. Die Trans­aktionen führen in solchen Fällen zu einer Vertiefung und Verfestigung des bereits zuvor eingetretenen Gefährdungs­schadens (anders beim Einsatz einer durch Diebstahl erlangten Karte oder der Nutzung ohne Wissen des berechtigten Karteninhabers abgefangener Daten; für Angeklagte, die an der betrugsbedingten Erlangung der Karte nicht beteiligt waren, ist die Geldabhebung eine Unter­schlagung und kein Computer­betrug). (Rn. 37)

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