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BGH, Urt. v. 25.01.23 – 6 StR 383/22: Zur Untreue

Sachverhalt (Rn. )

Der Angeklagte war in den Jahren 2002 bis 2019 eines von zwei hauptberuflichen Vorstands­mitgliedern einer genossenschaft­lichen Raiffeisenbank. Der Aufsichtsrat und die Mitarbeiter brachten ihm uneingeschränktes Vertrauen entgegen. So konnte er ein System schaffen, in dem keine wechselseitige Kontrolle stattfand und insbesondere das „Vier-Augen-Prinzip“ weitgehend unbeachtet blieb. In seinem Büro bewahrte der Angeklagte alle Tresorschlüssel auf. Zudem befüllte ausschließlich er den Geldautomaten.

In den Jahren von 2015–2019 entnahm er dem Kassenbestand oder dem Tresor der Bank Gelder, fingierte Einzahlungen und tätigte Überweisungen von Scheinkonten. Ferner unterschrieb er einen auf das Girokonto der Raiffeisenbank gezogenen Scheck über 900.000 Euro mit seinem und dem Namen eines Bankmitarbeiters, ohne von diesem dazu ermächtigt worden zu sein. Im Jahres­abschluss für das Jahr 2018 wies er auf der Aktivseite zwei nicht existente Provisionsforderungen sowie zwei bereits ausgezahlte Versicherungs­leistungen aus. Zudem bewertete er zahlreiche Versicherungs­verträge mit deutlich überhöhten Aktivierungs­werten.

Das Landgericht hat die Geldentnahme und Abbuchungen als Untreue (§ 266 StGB) gewertet. Bezüglich der weiteren Taten wurde eine Strafbarkeit wegen Urkunden­fälschung (§ 267 StGB) und unrichtiger Darstellung eines Jahres­abschlusses (§ 331 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 340m Abs. 1 Satz 1 HGB) bejaht. (Rn. 5)

Der BGH sieht dies als rechtmäßig an. (Rn. 6)

Aus den Gründen (Rn. 6 ff.)

Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Verurteilung wegen Untreue in 31 Fällen. (Rn. 7) „Die für beide Tatbestandsvarianten erforderliche Vermögensbetreuungs­pflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist gegeben, wenn der Täter gegenüber dem (potentiell) Geschädigten eine inhaltlich besonders herausgehobene, nicht nur beiläufige Pflicht zur Wahrnehmung von dessen Vermögensinteressen innehat, die über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertrags­partners Rücksicht zu nehmen, hinausgeht. Hinzukommen muss, dass dem Täter Raum für eigen­verantwortliche Entscheidungen bleibt und ihm eine gewisse Selbstständigkeit belassen wird (…).“ (Rn. 8) Die Vermögensbetreuungs­pflicht des Angeklagten ergibt sich hier aus seiner Stellung als Vorstands­mitglied der Genossenschafts­bank. Weitere Darlegungen zu seinem Aufgabenkreis und zur internen Aufgabenverteilung zwischen den Vorstands­mitgliedern bedarf es hier nicht. (Rn. 9)

Indem der Angeklagte dem Kassenbestand oder Tresor der Bank Gelder entnahm, Einzahlungen fingierte und Überweisungen von Scheinkonten tätigte hat er seine Vermögensbetreuungs­pflicht in strafrechtlich relevanter Weise verletzt.  (Rn. 10)

„Soweit im Hinblick auf die tatbestandliche Weite des § 266 Abs. 1 StGB zur Begrenzung des Tatbestandes ein innerer Zusammenhang zwischen der Vermögensbetreuungs­pflicht und ihrer Verletzung verlangt wird (…) besteht dieser hier unabhängig davon, ob namentlich auch Kassier­tätigkeiten oder der Transfer von Buchgeld zu den dem Angeklagten zugewiesenen Aufgabenkreis zählten, weshalb es entsprechender Feststellungen insoweit nicht bedurfte. Denn die herausgehobene Stellung des Angeklagten als Vorstands­mitglied begründete eine umfassende Schutz­pflicht für das gesamte Vermögen der von ihm vertretenen Bank.“ (Rn. 11)

„Dementsprechend gehört es zu den typischen Fällen des Treubruchs, unbefugt Geld zu entnehmen oder es für eigene Zwecke zu überweisen (…). Dabei steht einer Strafbarkeit nicht entgegen, dass die Tat auch von einem Dritten hätte begangen werden können.“(Rn. 12)

In der Formulierung der Strafkammer, sie werte „zuungunsten des Angeklagten, dass dieser die Taten aus der bedeutenden Vertrauensstellung eines Bankvorstandes heraus beging“, liegt kein Verstoß gegen das Doppelverwertungs­verbot (§ 46 Abs. 3 StGB). „Wie sich aus dem Zusammenhang der Strafzumessungs­erwägungen ergibt, nimmt sie nicht allein die Vorstandseigenschaft und die daraus folgende strafbegründende Vermögensbetreuungs­pflicht in den Blick, sondern stellt auf den Missbrauch des dem Angeklagten von den Bankmitarbeitern sowie den Aufsichtsrats­mitgliedern persönlich entgegengebrachten besonderen Vertrauens ab. Das ist nicht zu beanstanden, zumal es ihm dadurch gelang, in der Bank ein System zu schaffen, mit dem er sämtliche Kontrollmechanismen faktisch außer Vollzug setzte“ (Rn. 14)

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