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BGH, Beschl. v. 07.05.2024 – 4 StR 85/24: Zum Inbrandsetzen nicht tatbestandlicher Objekte im Rahmen des § 306 StGB

Tatbestandlich erfasst sind auch Fälle, in denen der Täter ein anderes als das durch § 306 Abs. 1 StGB geschützte Tatobjekt in Brand setzt, wenn nur der an dem Schutz­objekt eingetretene Zerstörungs­erfolg auf diese Brandlegung zurückzuführen ist.

Sachverhalt (Rn. 4–5)

Der Angeklagte setzte einen aus Holzpaletten bestehenden und mit Verpackungs­materialien – Papier und Pappkartons – gefüllten Kasten, der unmittelbar neben den Schaufenstern eines Lebens­mittelgeschäfts aufgestellt war und in dessen Nähe er eine CO2-Patrone deponiert hatte, in Brand, indem er mit einem Feuerzeug die Verpackungs­materialien entzündete. Das Feuer breitete sich rasch aus und griff auf eine an dem Gebäude angebrachte Markise über. Die feuerbedingte Hitze­entwicklung war schließlich so groß, dass die CO2-Patrone explodierte und das angrenzende Schaufenster zerbarst. In der Folge drangen Hitze, Rauch und Ruß in das Gebäudeinnere, zerstörten Waren, Geräte und Mobiliar und führten zur Unbenutzbarkeit der Räumlichkeiten.

Zur subjektiven Tatseite ist festgestellt, dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass durch die Brandlegung des mit Verpackungs­material gefüllten Holzkastens unter zusätzlicher Verwendung einer CO2-Patrone, die unter Hitzeein­wirkung mit einer nicht unerheblichen Detonation zerplatzte, das unmittelbar angrenzende Lebens­mittelgeschäft jedenfalls teilweise zerstört werden könnte, und er diese Folgen seiner Brandlegung billigend in Kauf genommen habe.

Das LG hat den Angeklagten wegen Brandstiftung und wegen Sachbeschädigung verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision führt zur Aufhebung des Urteils.

Aus den Gründen (Rn. 6–15)

Nach den Feststellungen hat der Angeklagte ein fremdes Gebäude im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB durch eine Brandlegung teilweise zerstört. Dass diese teilweise Zerstörung auf einer Brandlegung beruhte, die nicht auf ein Inbrandsetzen des Gebäudes oder eines anderen Schutz­objekts im Sinne des § 306 Abs. 1 StGB abzielte, steht dem nicht entgegen.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist es lediglich erforderlich, dass der an einem der Schutz­objekte des § 306 Abs. 1 StGB eingetretene Zerstörungs­erfolg auf eine Brandlegung zurückzuführen ist. Unter einer Brandlegung ist jede auf die Verursachung eines Brandes gerichtete Handlung zu verstehen, wobei sich das mit einer solchen Handlung typischerweise

verbundene Risiko in dem Zerstörungs­erfolg verwirklicht haben muss. Tatbestandlich erfasst sind daher auch Fälle, in denen der Täter ein anderes als das durch § 306 Abs. 1 StGB geschützte Tatobjekt in Brand setzt, wenn nur der an dem Schutz­objekt eingetretene Zerstörungs­erfolg auf diese Brandlegung zurückzuführen ist.

Für eine einschränkende Auslegung dahin, dass die Tathandlung des § 306 Abs. 1 Alt. 2 StGB nur Konstellationen erfasst, die auf das Hervorrufen eines Brandes an einem der Tatobjekte der Brandstiftungs­tatbestände abzielen besteht kein Anlass. Zwar deutet die Entstehungs­geschichte des Gesetzes darauf hin, dass der Gesetzgeber des 6. StrRG mit der Ergänzung der Brandstiftungs­delikte um die Handlungs­alternative des (teilweisen) Zerstörens durch eine Brandlegung in erster Linie Fälle erfassen wollte, in denen ein vollendetes Inbrandsetzen der

Schutz­objekte wegen der Verwendung feuerbeständiger Baumaterialien ausgeblieben ist, es aber dennoch zu erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit von Bewohnern oder für bedeutende Sachwerte etwa durch bereits entstandene Ruß-, Gas-, Rauch- und Hitze­entwicklung gekommen war. Die Strafrahmen der §§ 305, 305a StGB erschienen angesichts ihrer deutlich milderen Strafdrohung nicht geeignet, eine tat- und schuldangemessene Ahndung solcher gleichermaßen als gemeingefährlich angesehener Taten zu gewährleisten. Eine dahingehende Einschränkung hat aber im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden. Vielmehr genügt ein (teilweises) Zerstören allein durch „eine“ Brandlegung. Weiterhin lässt das Gesetz auch in dieser Handlungs­alternative in subjektiver Hinsicht bedingten Vorsatz genügen und eröffnet mit § 306d StGB die Möglichkeit fahrlässiger Tatbestandsverwirklichung. Ein einengendes Verständnis der Handlungs­alternative des (teilweisen) Zerstörens durch eine Brandlegung auf Fälle, in denen es dem Täter auf das Hervorrufen eines Brandes an einem der in § 306 Abs. 1 StGB genannten Schutz­objekte ankommt, kommt daher nicht in Betracht.

Weiterhin steht der Annahme eines Zerstörungs­erfolgs von Gewicht im Sinne des § 306 Abs. 1 Alt. 2 StGB nicht entgegen, dass dieser nicht ausschließlich durch den Brand, sondern auch durch die brandbedingte Explosion der CO2-Patrone, die zum Zerbersten des Schaufensters geführt hat, herbeigeführt worden ist.

Allerdings bedarf die subjektive Tatseite in Fällen, in denen der eingetretene Zerstörungs­erfolg nicht auf eine Brandlegung an dem Schutz­objekt selbst, sondern an einem anderen Gegenstand zurückzuführen ist, sorgfältiger Prüfung. Hieran fehlt es.

Eine vollendete Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 StGB in der hier gegebenen Variante des teilweisen Zerstörens durch Brandlegung setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz), dass durch die Brandlegung das in Rede stehende Tatobjekt infolge der Brand­wirkungen ganz oder teilweise zerstört wird. Dabei muss sich der Vorsatz auch auf den zum Eintritt des Erfolgs führenden Geschehensablauf erstrecken, wobei eine Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf nach der Rechts­prechung des Bundes­gerichtshofs als unwesentlich anzusehen ist, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebens­erfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt. Die subjektive Tatseite ist regelmäßig beweiswürdigend zu belegen. Bei einem – wie hier – schweigenden Angeklagten können innere Tatsachen wie seine Vorstellungen über die möglichen Folgen seines Handelns und deren Billigung regelmäßig durch Rückschlüsse aus dem äußeren Tatgeschehen festgestellt werden. Wesentlicher Anknüpfungs­punkt für die Frage, ob der Täter mit Brandstiftungs­vorsatz gehandelt hat, ist der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass ein Tatobjekt durch die Brandlegung ganz oder teilweise zerstört wird. Erforderlich ist insoweit eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände.

Diesen Anforderungen wird das Urteil, das keine Beweiserwägungen zur subjektiven Tatseite enthält, nicht gerecht. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird sich mit allen für und gegen das Vorliegen des bedingten Vorsatzes sprechenden Indizien auseinanderzusetzen haben. Dabei wird es auch in seine Prüfung einzustellen haben, dass es dem Angeklagten – wie im Rahmen der Feststellungen zur Vorgeschichte hinsichtlich beider verfahrensgegenständlicher Taten festgehalten und rechts­fehlerfrei beweiswürdigend belegt – darauf ankam, in seinem Besitz befindliche CO2-Patronen großer Hitze auszusetzen, um sie zur Detonation zu bringen.

Der Rechts­fehler führt zur Aufhebung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Die objektiven Feststellungen zum Tatgeschehen sind von dem Rechts­fehler nicht berührt und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

Die Aufhebung des Urteils zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

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