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Beschl. v. 27.11.2018 – 2 StR 481/17: Rechts­prechungs­änderung zum Konkurrenz­verhältnis von Wohnungs­einbruchdiebstahl und Sachbeschädigung

Leitsatz: Bei (vollendetem) schwerem Bandendiebstahl (§§ 244a I, 244 I Nr. 3, 243 I 2 Nr. 1 Var. 1 StGB) oder (vollendetem) Wohnungs­einbruchdiebstahl (§ 244 I Nr. 3 Var. 1 StGB) steht eine zugleich begangene Sachbeschädigung (§ 303 I StGB) stets im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 I StGB); sie tritt nicht im Wege der Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion hinter den schweren Bandendiebstahl oder den Wohnungs­einbruchdiebstahl zurück.

Sachverhalt: Die Angeklagten brachen in wechselnder Besetzung im Zeitraum von April bis Oktober 2016 in 19 Fällen in Einfamilienhäuser und Wohnungen ein und stahlen Geld und Wertgegenstände. In einigen Fällen entstanden durch das gewaltsame Eindringen an bzw. in den Tatobjekten Sachschäden. In anderen Fällen gelang es den Angeklagten nicht, die Zugangshindernisse zu überwinden. Das LG hat sowohl die versuchten wie auch die vollendeten Taten als (versuchten) schweren Bandendiebstahl bzw. (versuchten) Wohnungs­einbruchdiebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung abgeurteilt und im Rahmen der Strafzumessung neben der Höhe des Sachschadens auch bei den vollendeten Einbruchtaten strafschärfend berücksichtigt, dass jeweils tateinheitlich eine Sachbeschädigung verwirklicht worden sei.

Aus den Gründen:
Die vollendete Sachbeschädigung steht nach der Rspr. des BGH, an der der Senat festhält, im Verhältnis der Tateinheit zum versuchten Diebstahl. Aber auch die „rechtliche Würdigung des LG, dass eine im Zuge eines schweren Bandendiebstahls bzw. Wohnungs­einbruchdiebstahls zu einer zugleich verwirklichten Sachbeschädigung im Verhältnis der Tateinheit steht, erweist sich als fehlerfrei. Soweit der Senat bisher eine abweichende Rechts­auffassung vertreten hat (…), gibt er diese auf.“ (Rn. 15)

Für die konkurrenzrechtliche Bewertung sind folgende Erwägungen maßgeblich:

„Gemäß § 52 I StGB ist grundsätzlich von Tateinheit auszugehen, wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt. Anders verhält es sich nur ausnahmsweise in den Fällen einer sog. unechten Konkurrenz (Gesetzeseinheit), die in den vorliegenden Konstellationen in der Erscheinungs­form der Konsumtion in Betracht kommt. Ihre Anwendung setzt voraus, dass der Unrechts­gehalt der strafbaren Handlung durch einen der anwendbaren Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst wird.“ (Rn. 18)

Die Annahme von Konsumtion begegnet hier durchgreifenden rechtlichen Bedenken. „Eine Einbruchtat i.S.v. §§ 244a I, 243 I 2 Nr. 1 Var. 1 StGB oder §§ 244a I, 244 I Nr. 3 Var. 1 bzw. § 244 I Nr. 3 Var. 1 StGB geht nicht ‚regelmäßig‘ oder ‚typischerweise‘ mit einer Sachbeschädigung einher. Schon in rechtlicher Hinsicht setzt die Tathandlungs­variante des Einbrechens eine Substanzverletzung i.S.v. § 303 I StGB nicht voraus. Vielmehr genügt es, dass der Täter Schließvorrichtungen oder andere Zugangshindernisse unter Aufwendung von nicht unerheblicher Kraftentfaltung überwindet.“ (Rn. 20) „Von einer regelmäßigen ‚Begleittypik‘ der Sachbeschädigung kann daher – auch wenn es eine Vielzahl von zur Aburteilung gelangenden Sachverhaltsgestaltungen gibt, die auch mit Sachbeschädigungen einhergehen – nicht ausnahmslos ausgegangen werden.“ (Rn. 22)

„Gesetzes­systematisch ist zu bedenken, dass bei den dem Einbruchdiebstahl gleichgestellten Begehungs­varianten des ‚Einsteigediebstahls‘, des ‚Nachschlüsseldiebstahls‘ und des ‚Verweildiebstahls‘ (…) eine Sachbeschädigung fern liegt. (…) Soweit der Täter untypischerweise dennoch eine Sachbeschädigung verwirklicht, wird stets von Idealkonkurrenz auszugehen sein. Die ‚Konsumtions­lösung‘ beim Einbruchdiebstahl führt damit zu dem systematischen Bruch, dass verschiedene Begehungs­weisen innerhalb ein und derselben Tatbestands­gruppe konkurrenzrechtlich unterschiedlich zu beurteilen wären, obwohl vom Gesetzgeber eine (…) ersichtlich gewollt ist, wie die einheitliche Normierung (…) und der einheitliche Strafrahmen belegen.“ (Rn. 23)

„Gegen die (…) erschöpfende Erfassung des Unrechts einer Sachbeschädigung durch eine Verurteilung wegen schweren Bandendiebstahls oder Wohnungs­einbruchdiebstahls spricht auch, dass die geschützten Rechts­güter und Rechts­gutsträger in vielen Fällen nicht identisch sind (…). Der Eigentümer der weggenommenen Sache oder der Inhaber des Gewahrsams (…) sind nicht immer zugleich Eigentümer der zerstörten oder beschädigten Sache. Dies betrifft alltägliche Fälle wie Einbruchdiebstähle in Mietwohnungen (…).“ (Rn. 24) „Die Konsumtion setzt [aber] die Verletzung mehrerer Rechts­güter desselben Rechts­gutsträgers voraus.“ (Rn. 25)

Zudem würden praktische Abgrenzungs­schwierigkeiten gelöst: „Denn die ‚Konsumtions­lösung‘ geht bisher davon aus, dass die Sachbeschädigung jedenfalls dann keine „typische Begleittat“ darstellt, wenn sie im konkreten Fall vom regelmäßigen Verlauf der Diebstahlstat abweicht (…). Dies zwingt in jedem Einzelfall zu einem wertenden Vergleich des Unrechts­gehalts (…).“ (Rn. 27) Dieser Ansatz (…) birgt Unschärfen (…), die dem Bedürfnis nach Rechts­sicherheit und Rechts­klarheit nur eingeschränkt entsprechen.“ (Rn. 28)

Der Rechts­auffassung des erkennenden Senats haben sich die anderen Strafsenate des BGH auf Anfrage unter Aufgabe etwaiger entgegenstehender Rechts­prechung angeschlossen.

Zum Volltext

Vgl. zum Anfrage­verfahren des 2. Senats: BGH, Beschl. v. 06.03.2018 – 2 StR 481/17